Fritz Viertel, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Brandenburg und Sprecher der Volksinitiative "Verkehrswende Brandenburg jetzt": "Mit dem Mobilitätsgesetz wird klargestellt, dass der öffentliche Nahverkehr das Rückgrat der Verkehrswende in Brandenburg sein muss. Ohne ein flächendeckendes, attraktives Bahn- und Busangebot werden wir die Abhängigkeit vom Auto nicht beenden können. Wir wollen deshalb mit dem Gesetzentwurf die Landesnahverkehrsplanung vom Kopf auf die Füße stellen. Bislang wurden kleine Bahnlinien auf dem Land gestrichen, weil nur wenige Fahrgäste mitfuhren. In Zukunft soll stattdessen gefragt werden, wie diese Linien von mehr Menschen genutzt werden können. Ein Stundentakt als Mindestbedienstandard, das Schließen von Netzlücken durch die Reaktivierung stillgelegter Strecken bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit und eine optimale Verknüpfung von Bahn- und Buslinien untereinander sowie mit anderen Verkehrsmitteln sind dafür wichtige Bausteine."
Das Mobilitätsgesetz Brandenburg verankert erstmals die verkehrspolitischen Strategien des Landes in einem modernen, zukunftsgerichteten Gesetz. Um die Mobilität der Bürgerinnen und Bürger auch unter Klimaschutzgesichtspunkten zu verbessern, orientiert sich der Entwurf unter Beachtung der Finanzierungsmöglichkeiten an den Zielen der Landesregierung: Klimaneutralität bis 2045 und die Erhöhung des Anteils des Umweltverbundes, bestehend aus ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, bis 2030 auf 60 Prozent. Außerdem ist vorgesehen, dem Umweltverbund Vorrang vor anderen Mobilitätsformen einzuräumen. Mehr attraktive Angebote sollen die Bürgerinnen und Bürger motivieren, auf klimafreundliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Um insbesondere die ländlichen Räume besser zu erschließen, soll im Rahmen der Umsetzung des Landesnahverkehrsplans ein Vorschlag für ein landesweites Netz von Bahn und Bus unter Beteiligung der kommunalen Aufgabenträger erarbeitet werden. Bei der Planung des SPNV in Aufgabenträgerschaft des Landes erfolgt im Gesetzentwurf ein Paradigmenwechsel von der nachfrage- zur angebotsorientierten Planung. Das Land wirkt im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten darauf hin, die Stilllegung und Freistellung von Eisenbahninfrastruktur zu vermeiden und unterstützt unter Beachtung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit die Reaktivierung von Schienenstrecken und Haltepunkten sowie den Wiederauf- und Neubau von Eisenbahnstrecken. SPNV und kommunaler Busverkehr sollen bessere Takte nach einheitlichen Bedienstandards erhalten. Interessenvertretungen (z.B. von Menschen mit Behinderung) und Fachverbände sollen die Möglichkeit erhalten, stärker an der Nahverkehrsplanung von Land und Kommunen beteiligt zu werden.
Auch das im Koalitionsvertrag verankerte und bisher schon im Straßenbau praktizierte Prinzip "Erhalt vor Neubau" soll gesetzlich festgeschrieben werden. Das Auto - in Zukunft klimaneutral betrieben - wird auch künftig im Flächenland Brandenburg eine wichtige Bedeutung für die Mobilität des Einzelnen haben, insbesondere dort, wo der Umweltverbund an praktische Grenzen stößt.
Wichtiger Bestandteil des Gesetzentwurfs ist zudem das Ziel "Vision Zero", um die Anzahl der Verkehrsopfer kontinuierlich zu reduzieren. Insbesondere soll die Verkehrssicherheit für die so genannten "ungeschützten" Verkehrsteilnehmenden im Rad- und Fußverkehr erhöht werden.
Hintergrund
Im Auftrag des Landtags startete die Landesregierung Ende 2021 einen Dialogprozess mit zahlreichen ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern der erfolgreichen Volksinitiative "Verkehrswende Brandenburg jetzt!", in der 16 Verbände, Gewerkschaften und Initiativen organisiert sind. Drei fachliche Arbeitsgruppen erarbeiteten unter der Leitung einer paritätisch besetzten Steuerungsrunde gemeinsam einen Entwurf für ein Brandenburgisches Mobilitätsgesetz. Mit großem Engagement moderiert wurde die Steuerungsgruppe von der ehemaligen Geschäftsführerin des DLR Berlin, Prof. Dr. Barbara Lenz. In den Prozess einbezogen wurden auch die Regierungsfraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen im Landtag.