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Lotte Kiesel verstorben

 

"Sie überschätzen meine Kompetenz, wenn Sie meinen, daß ich die Geschichte des Naturschutzes hier mit geprägt habe," schrieb mir Lotte Kiesel auf meine Anfrage, über die Arbeit der Zehdenicker Natur- und Heimatfreunde zu berichten. Je mehr sie aber dann über die Arbeit der Gruppe erzählte, um so klarer wurde aber, daß sie mit ihrer Einschätzung nicht Recht hatte.

Lotte Kiesel, am 4. März 1921 in Marienthal geboren, und ihr Mann Ernst gehörten zu den Mitbegründern der Natur- und Heimatfreunde in Zehdenick, die schon bald nach Kriegsende gegründet wurden und im Kulturbund organisiert waren.

Im Jahr 1950 zogen beide von Marienthal nach Zehdenick und eröffneten ein Optikergeschäft in der Stadt. Ernst Kiesel erwarb in der Friedhofsstraße ein halbfertiges Haus und baute es aus. Dr. Ernst Urbahn wurde Kunde im Optikergeschäft, da auch Ernst Kiesel Entomologe war und ebenfalls Schmetterlinge sammelte, entwickelte sich schnell eine feste Freundschaft beider Familien.

Da Räumlichkeiten in Zehdenick nach dem Krieg knapp waren, fanden jahrelang die Sitzungen der Natur- und Heimatfreunde - und auch ihre Weihnachtsfeiern - im Optikerladen der Familie Kiesel statt. Es wird eng gewesen sein, die Zehdenicker Gruppe war über die Kreisgrenzen hinaus bekannt und viele kamen über die Gruppe mit der organisierten Naturschutzarbeit in Kontakt, nahmen an Veranstaltungen und Exkursionen teil.

Mancher Jahresurlaub wurde gemeinsam mit Fam. Urbahn in der Landeslehrstätte Müritzhof bei Waren verbracht. In den drei Wochen galt es in den Nächten auf Lichtfang zu gehen und am Tage die wissenschaftliche Auswertung zu machen. Den Frauen oblag dann noch die Hausarbeit und die Versorgung. Es muß sehr schmerzhaft gewesen sein, als Ernst und Herta Urbahn innerhalb von zwei Tagen verstarben. Lotte Kiesel hat in den vergangenen 30 Jahren immer das Andenken an die beiden Entomologen bewahrt und viele Zeitungsartikel geschrieben. Sie hat es sich auch nicht nehmen lassen, anläßlich des 30. Todestages der Urbahns im Januar diesen Jahres einen Beitrag zu schreiben, der in der regionalen Presse, auf den Internetseiten des Vereines und natürlich im Liga Libell veröffentlicht wurde. Den Liga Libell hat sie immer gern gelesen und für die nächste Ausgabe war auch ein Beitrag von ihr über den Zehdenicker Orthocerenstein eingeplant. Orthoceren (Geradhörner) sind Chephalopoden (Kopffüßer) mit geraden, selten leicht gegrümmten, Gehäusen. Diesen Findling mit den versteinerten Abdrücken der Geradhörner fanden sie bei einer Exkursion bei Zehdenick an einem Feldweg. Ein Bekannter transportierte den Stein auf das Grundstück der Kiesels, dort steht er neben der Garage und ist wohl nur hierdurch vor Zerstörung bewahrt worden. Der Stein wird nun seinen Weg in das Naturkundemuseum in Berlin antreten und dort noch einmal wissenschaftlich untersucht werden. Dort befindet sich auch die Schmetterlingssammlung der Familie Urbahn.

Lotte Kiesel war begeisterte Hobby-Archäologin und geschichtlich sehr interessiert. In ihrem Arbeitszimmer befinden sich viele Aktenordner mit Beiträgen über das sagenumwobene Rethra, dem slawischen Zentralheiligtum in Mecklenburg, welches sich bei Neubrandenburg befunden haben soll. Bis heute ist es nicht wirklich entdeckt worden. Über Besuch hat sie sich immer gefreut, wenn sie Zeit hatte, als Oma von zehn Urenkeln hatte sie eine große Familie. In der Veranda des Hauses befindet sich die Schmetterlingssammlung der Familie Kiesel und Besucher kommen nicht umhin sie zu betrachten. Man wähnt viele tropische Exemplare unter den Exponaten, so bunt und vielfältig sind sie. Aber es sind alles einheimische Tag- und Nachtfalter aus unserer Region.

Am 7. April 2013 wurde nunmehr am Geburtshaus von Dr. Urbahn in der Dammhaststraße durch die Stadt Zehdenick eine Gedenktafel angebracht und eingeweiht. Daß es dazu kam, ist Lotte Kiesel zu verdanken, da sie die Erinnerung an den Zehdenicker Ehrenbürger stets wach hielt. Sie selbst konnte nicht dabei sein, da sie seit 35 Jahren durch eine Hüftoperation gehbehindert war.

Lotte Kiesel ist in ihrer Heimatstadt Zehdenick am 24. April verstorben.

 

Norbert Wilke